Winterwaldlauf
haben wir heute gewonnen. Das würde ich sagen, wenn wir heute den Winterwaldlauf gewonnen hätten. ABER wir haben einen grandiosen dritten Platz erlaufen!
Damit ihr versteht, warum ich so eine komische Einleitung schreibe, müsst ihr verstehen, dass ich 2 Espresso Martini intus habe.
Also. Alles fing damit an, dass ich an die Adalbert-Stifter-Grundschule gegangen bin. Dort hat mir meine Teilnahme am Schulsanitätsdienst gezeigt, dass es sehr wichtig ist, sich um Mitmenschen zu kümmern und einen nicht unwesentlichen Teil der Freizeit darauf zu verwenden, das Leben der anderen besser zu machen! Das würde ich sagen, wenn ich am Schulsanitätsdienst teilgenommen hätte.
Gut, zurück zum Thema: Unsere Schule hatte es sich jedes Jahr zum Ziel gesetzt, den Johnny-Pokal für die meisten Teilnehmer am Winterwaldlauf zu gewinnen, weshalb ich jedes Jahr mit meiner Teilnahme dazu beigetragen habe. Seitdem ist der Winterwaldlauf eine feste Konstante in meinem Leben. Fast forward zum letzten Jahr: Ich laufe gerne Biermeile. Dazu gehört ja leider auch das Laufen. Dieses Hobby Laufen bedeutet, wie bei so vielen Dingen, dass man nur besser wird, wenn man übt. Steigt das Vermögen in einer bestimmten Sache, steigt zugleich der Ehrgeiz, sich darin hervorzutun. Und so nahmen wir als Erlanger Biermeile wieder an der immer dagewesenen Instanz unseres Lebens teil: Dem Winterwaldlauf.
Im März 2023 haben wir bereits in einer kleineren Gruppe unseren ersten Versuch gewagt. Wir haben uns angemeldet, vorbereitet und sind auf dem 6. Platz in der Vereinswertung gelandet. Genau da hat es klick gemacht: Wir können es mit unserem glorreichen Team auch aufs Podium schaffen!
Gesagt, getan. In der Transferperiode waren wir auf dem Markt tätig und haben mehrere Eliteläufer für unser Team angeworben. Drei Königstransfers waren Florian, Tim und Robert. Wir stellten nun einen ernstzunehmenden Kader von 14 Läuferinnen und Läufern.
Der Lauf
Heute war es dann endlich so weit. Hochmotiviert trafen wir uns bereits eine Stunde vor Beginn am Start.
14 Läufer
10 Kilometer
1 Ziel
Um 14:30 Uhr am 16.5.2024 fiel der Startschuss zum 22. Winterwaldlauf. Das Adrenalin rauschte durch unsere Adern. Wir bewegten uns erst langsam auf den matschigen Waldwegen, aber nachdem sich das Teilnehmerfeld auseinanderzog, fingen wir an, unser volles Potential zu entfalten. Mit Kriegsbemalung im Gesicht und BM-Sticker auf der Brust erkannten wir uns untereinander und blieben doch unerkannt. Wie die Jünger Jesu mit dem Fisch an der Wand.
Schritt für Schritt, Schweißtropfen liefen über das Gesicht. Gierig zog ich den Sauerstoff in meine Lunge. Meine Oberschenkel sendeten – wie Stromstöße – Warnsignale an mein Gehirn. Fuck. Erst das 0,5 km-Schild. Ich hätte mein Pferd und einen Apfel darauf verwettet, dass wir bereits bei Kilometer 7 angelangt wären. Egal. Jetzt ist es auch schon zu spät. Jetzt ist Kämpfen angesagt. Für meine Mutter, für Strava, für die Erlanger Biermeile. Beschwingt von den Gedanken an die nächste Biermeile flogen die Kilometer dahin.
Meine Knie verwandelten sich in Schaniere, meine Oberschenkel in sich unablässig bewegende (Atom)kraftwerke und mein Kopf in einen unnachgiebigen Befehlsausgabeapparat. Mein Körper - ein Perpetuum mobile.
Plötzlich hörte ich hinter mir bedrohliche Schritte näherkommen, Angstschweiß transpirierte aus meinem Körper. Meine Nackenhaare stellten sich auf. Mit dem letzten Destillat meiner Determination nahm ich alle mir noch verfügbaren Kräfte zusammen und peitschte meinen Körper weiter den Weg entlang. Ich wagte es nicht, mich umzudrehen; ich darf das Ziel nicht aus den Augen verlieren; Tunnelblick. Ich darf die Erlanger Biermeile und seine hunderte Mitglieder nicht enttäuschen.
Was sind die Schmerzen, die ich jetzt erleiden muss, gegenüber der Ehre, die dem Team und mir als Mitglied desselben gebührt.
Die Ziellinie
Ich sehe sie. Am Ende des Horizonts. Starker Gegenwind. Fick dich ChatGPT. Du kannst mir nichts. Zwischen den tausenden Schritten mischten sich auf einmal Fetzen von Mikrofondurchsagen. Das konnte nur eins bedeuten: Die Ziellinie ist in greifbarer Nähe und nicht nur eine Fata Morgana - eine Illusion meines erschöpften Geistes. Meine letzten Kräfte nahm ich zusammen. Das würde ich schreiben, wenn ich nicht vorher schon meine letzten Kräfte zusammengenommen hätte. Ich rannte nicht, ich fiel nach vorne und konnte mich im letzten Moment abstützen. So bestritt ich die letzten Meter. Sollte das etwa das Ende sein? Als ich mein Leben an mir vorbeiziehen sah, mischten sich die Rufe freundlicher, wohlgesonnener, mir vertrauter Stimmen unter den zu einem einzigen Rauschen verschwommenen Lärm wie der Widerhall aus einer unbekannten Ferne. Die Rufe waren wie Uran für mein (Atom)kraftwerk.
Mit einem Hechtsprung wiefte ich mich über die Ziellinie. Ich hatte es geschafft. Wo waren die anderen Teammitglieder? Ein paar hatten es bereits vor mir durchs Ziel geschafft, ein paar rannten noch über die Ziellinie.
Die Siegerehrung
Jeder hatte sein Bestes gegeben und als Team haben wir einen sehr, sehr guten dritten Platz in der Vereinswertung erreicht. Die Veranstalter konnten nicht anders, als ihre Überraschung, dass die Erlangner Biermeile so gut abgeschnitten hatte, kundzutun .
Das würde ich schreiben, wenn ich kein Karpfen wäre. Blub blub blub 🫧🐠